Paul

4 Jahre Paul – Ein Hundekind wird langsam erwachsen

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Wer ‚Michel aus Lönneberga‘ kennt, kennt Paul. Meinen Helden aus Kindheitstagen. Hätte ich einen Sohn, dann hätte ich mir gewünscht, dass er wird wie er. Oder eine Tochter, die wie Pippi Langstrumpf wäre. Das Universum hat geliefert, nicht in Form eines Menschenkindes, aber in der Gestalt eines Hundes.
Als hätte ich es geahnt, wer da bei uns einzieht, war ‚Michel‘ auf meiner Namensliste ganz oben, ein paar Tage vor Pauls Adoption. Aber mein Mann wollte unseren Hund draußen nicht ‚Michel‘ rufen. Ich hätte es süß gefunden. So ist es ein Paul geworden, darauf konnten wir uns beide einigen.
Damit aber auch mein Wunsch befriedigt wurde, ist Paul vom Wesen her ein richtiger Michel. Der Filmheld wäre stolz auf ihn, beide zusammen das perfekte Team. Ebenso lustig, lebensfroh, individuell, kreativ, unbeschwert, lausbübisch, kontaktfreudig, intelligent, herzerwärmend und talentiert. Paul hat allerdings das Glück, dass sein Papa nicht so streng ist, wütend wird oder ihn in den Schuppen einsperrt, wie der Vater in der Serie.

Vom Verliebtsein und der Liebe

Es ist wie in einer Partnerschaft. Am Anfang waren es Schmetterlinge im Bauch, dann Verliebtsein, irgendwann Liebe. Dieser Beitrag anlässlich des 4. Geburtstages meines Hundekindes wird also eine Liebeserklärung und ein Schlussstrich unter Bedenken, Ängste und Zweifel. Denn nichts anderes hat diese wunderbare Seele verdient. Die so unbeirrt ihren bisherigen Lebensweg gegangen ist/gehen durfte und sich zu einem wunderbaren Zauberwesen entwickelt hat/entwickeln durfte.
Gegen viele Widerstände, einige Kritik von außen, Einmischungen und fragwürdiges Wissen rund um den Hund. Ohne meinen Hund und mich zu kennen. Ich habe nun einmal andere Vorstellungen von meinem Miteinander mit Hund und wie er zu sein hat. Das sollte vielleicht vorher geklärt werden, wie die Erwartungen sind.

Pauls Persönlichkeit ist ungebrochen

Bei den Erwartungen fängt es an. Ich hatte und habe keine. Alles entwickelt sich. Je nach Charakter des Hundes. Dass ein Hund brav und gehorsam ist, so erzogen wird, wie fast alle Hunde, dass sie nicht auffallen und sich dem Menschen unterordnen, war nie mein Ziel.
Nicht falsch verstehen, wir sind nicht als Kamikaze-Duo unterwegs. Ich als vernunftbegabter Mensch achte sehr darauf, dass wir niemandem in die Quere kommen, der es anders sieht. Jeder hat das Recht, so mit seinem Hund zu sein, wie er es für am besten hält. Das respektiere ich. Wenngleich ich gerne in Frage stelle, ob man es wirklich selbst so möchte oder ob es „Tradition“, die Gesellschaft oder der Hundetrainer so bestimmt.

Ich erziehe meinen Hund nicht, um in der Gunst meiner Mitmenschen zu steigen, ihren Ansprüchen gerecht zu werden und bewundert zu werden. Ich unterstütze meinen Hund in seiner Persönlichkeit und seinen individuellen Bedürfnissen. Paul wird immer an erster Stelle stehen, da mache ich keine Kompromisse. Paul ist ein temperamentvoller Hund, der sehr viel darf und kann, nichts muss. Wem das nicht gefällt oder sich belästigt fühlt, wenn er mit uns zusammen Gassi geht oder bei uns zu Besuch ist, darf unsere Gesellschaft nicht suchen.

Ich mag das im übrigen auch gar nicht, mich zum Gassi zu verabreden, wenn ich weiß, dass die Hunde dabei nicht im Mittelpunkt stehen oder die Hunde nicht zusammen passen. Es ist was anderes, wenn man sich zufällig trifft und die Hunde, sofern sie sich mögen, ein Stück miteinander gehen. Ich mag auch nicht ständig belehrt oder gefragt werden, warum Paul das Stöckchen nicht bringt, in bestimmten Situationen bellt oder er an der Leine bleiben muss. Ich weiß, warum Paul bellt, verstehe ihn, unterstütze ihn oder versuche, ihn zu beruhigen. Da möchte ich mich nicht erklären. Weil es eben auch nicht in zwei Sätzen gesagt ist. Was ich unter keinen Umständen möchte, was aber bei vielen Hundebesitzern ein natürlicher Reflex ist: Paul erziehen zu wollen, ihn zu blocken oder zu kommandieren. Das werde ich nicht mehr zulassen, geschieht aber so schnell, dass ich nicht reagieren kann.

Ein Hofwart bei der „Arbeit“


Paul ist aufgrund seiner Kontaktfreudigkeit einfach manchmal besser an der Leine aufgehoben. Leine ist bei ihm nicht negativ belegt und allemal besser als ihn in stundenlangen Trainings mit dem Rückruf und Neins zu bombardieren. Der Rückruf funktioniert übrigens hervorragend. Meistens gar nicht nötig ist, weil Paul in kurzen Zeitabständen von ganz alleine kommt. Allerdings (noch) nicht zuverlässig, wenn ein anderer Hund am Horizont auftaucht. Ansonsten entwickelt sich alles weitere über das Lernen aus Erfahrungen sehr sicher und nachhaltig: Autos, Fahrräder und Jogger gehören zum Alltag.

Paul, der aufmerksame Hofwächter

Mag sein, dass alles bei uns etwas länger dauert. Ist der Groschen aber einmal gefallen, dann weil Paul verstanden hat und ich ihm nicht meine Sicht auf die Dinge oktroyiert habe.
Schließlich das für mich allerwichtigste überhaupt – neben Pauls Glück: er ist absolut friedlich. Paul hat noch nie geknurrt, die Lefzen hochgezogen oder gar gebissen. Er ist da sehr unbedarft, vermutet nie etwas Schlechtes, fühlt sich nie heraus- oder überfordert. Er reagiert seiner Rasse entsprechend aufmerksam und ist nun mal ein gewissenhafter Hofwächter. Seine Augen, Ohren und Nase sind immer auf Empfang. Es entgeht ihm nichts. Kein Fußgänger. Kein Gegenstand, der am Wegesrand liegt. Kein herannahendes Auto, in dem ein Hund sitzen könnte, um zusammen mit ihm zu spazieren. Kein Stück Papier, das ich in den Müll geworfen habe.

Alle Sinne immer auf Empfang

Ich weiß, aufgrund seines Verhaltens, ob das Herrchen schon zu Hause ist, wenn wir vom Gassi zurück kommen. Dann möchte Paul ganz schnell die Haustür herein, schnuppert Herrchens Parcours – Stuhl, auf dem die Tasche abgelegt ist, Garderobe, Kühlschrank, Mülleimer, Aufzug zur oberen Etage.
Schaut Paul aus den bodennahen Fenstern, weiß ich ohne hinzusehen ganz genau, wer gerade vorbei läuft. Natürlich an seinen Lauten, aber auch ohne Ton sehe ich es an seiner Körperhaltung, der Neigung seines Köpfchens, der Stellung seiner Ohren.

Ich erlebe alles mit Paul zusammen. Finde es unglaublich, wie aufgeweckt er ist. Ich lobe ihn, nehme an seinen Beobachtungen teil, kommentiere sie. Paul versteht jedes Wort, fühlt sich von mir ernst genommen und freut sich über meine Anteilnahme.
Dadurch kenne ich Paul sehr gut, kann ihn sehr genau lesen und den ein oder anderen Alleingang verhindern. Das ist bei weitem die größere Herausforderung, als Kommandos und Gehorsam zu trainieren. Sich in den Kopf seines Hundes zu versetzen, anstatt ihn menschlichen Ansprüchen anzupassen.
So bin ich, Paul sei Dank, inzwischen ein halber Hund geworden. Ich habe durch Paul in den letzten Jahren sehr viel lernen dürfen. Ich spreche und schreibe wohlgemerkt über einen Hund, den ich von Welpen an habe, der keine Vorgeschichte hat. Der bis auf seine Prägungen im Mutterleib und bis zur 10. Woche mit seinen Geschwistern im Tierheim ein unbeschriebenes Blatt war. Daher kann ich heute ohne Bedenken behaupten, dass ich zu Paul uneingeschränktes Vertrauen habe. Das weiß ich sehr zu schätzen, ist nicht selbstverständlich für mich, dass mein Hund so sicher ist. Wenngleich ich eine Menge dafür getan habe, beziehungsweise nicht getan habe. Wie man es nimmt.

Eine Seele von Hund – naturbelassen


Was ich mich nach vier Jahren an der Seite eines sagenumwobenen Hovawarts frage, jetzt nachdem ich die Bekanntschaft der Rasse machen durfte: Warum legt man sich einen Hovawart zu, wenn man einen „braven“ und „erzogenen“ Hund möchte? Was diesen Hund ausmacht und ein absolutes Alleinstellungsmerkmal ist, wird ihm letztendlich wieder wegerzogen. Es wird ein Wolf im Schafspelz aus ihm gemacht. Von denjenigen, die die Rasse angeblich lieben und von denen das Zitat stammt: „Einmal Hovawart, immer Hovawart“. Der Hovawart ist eine Seele von Hund, doch mit der harten Hand, Strenge und Konsequenz schafft man es, diese zu zerstören. Paul durfte sie sich bewahren. Ab jetzt, da er langsam erwachsen wird, tritt dieser Zauber jeden Tag mehr ins Licht.

Meine magischen Momente mit Paul

Nach vier Jahren mache ich die Erfahrung, dass das Miteinander mit Hund im Prinzip ganz einfach ist, wenn man nicht den Umweg über Erziehung geht. Man verpasst so viel Schönes und Erstaunliches, wenn man es nicht wenigstens einmal probiert hat, das respektvolle und achtsame Miteinander. Kein Hund ist wie der andere, auch nicht innerhalb einer Rasse. Deshalb stelle ich ganz besonders Hundeschulen und wild zusammen gewürfelte Gruppenkurse in Frage. Hundetrainer, die Einzelunterricht geben und nicht nach Schema F vorgehen, sind Mangelware – einer unter 100.

Pauls Bandbreite an Blicken ist unerschöpflich

Thema beendet, ich habe es mit der Unterstützung wirklich sehr guter und ausgewählter Berater alleine geschafft, aus Paul und mir ein Team zu machen. Ich hatte fast vier Jahre Zeit, mich an Pauls Seite zu beweisen. Vier Jahre, in denen ich ihm nicht einmal in den Rücken gefallen bin, nie unfair war und nie von meinem Weg abgewichen bin. Vier Jahre, in denen ich mich als Helfer in der Not beweisen konnte. Wenn Paul unpässlich war und ich mit ihm zu jeder Tages- und Nachtzeit stundenlang an der frischen Luft war, bis es ihm wieder besser ging. Nie habe ich geschimpft, wenn Paul sich dann doch mal daneben benommen hat. Weil ich mittlerweile auch weiß, was seine Stimmung und seine Reaktionen beeinflusst. Auch wir Menschen haben schlechte Tage und funktionieren nicht wie ein Uhrwerk.
Das findet Anerkennung seitens meines Hundes. Jetzt, da er fast erwachsen ist, fasziniert mich die Bandbreite seiner Blicke, mit denen Paul sich so gut mitteilen kann. Die ganze Welt legt er mir zu Füßen. Diese Freude, Zufriedenheit, dieses Feuer und diese Liebe hatte mir so noch keiner seiner Vorgänger gezeigt. Nicht nur mir und seinem Herrchen gegenüber, sondern bezüglich seines gesamten Lebens.

Die schönsten Momente beschert Paul mir immer dann, wenn mir kurz davor das Herz fast stehen bleibt. Weil ich nicht gut genug aufgepasst habe, doch zu nachlässig oder der Teufel ein Eichhörnchen war. Wenn Paul in einem Höllentempo wegrennt, weil er einen anderen Hund gewittert oder gesehen hat. Ich lege mir schon immer Entschuldigungen zurecht, um dann festzustellen, dass Paul sich die genau richtigen Hunde und Menschen ausgesucht hat. Wir bekommen dann sehr viele Komplimente für unseren lebensfrohen und höflichen Hund. Es sind fast ausschließlich kleine Hunde, für die er sich interessiert. Darunter oft welche, die sich vor großen oder schwarzen Hunden fürchten. Nicht aber vor Paul. Schon von weitem sehe ich, wie Pauls Rute und das gesamte Hinterteil wedelt, die anderen Hunde keine Einwände haben und die dazugehörigen Menschen mich mit ihrem freundlichen Gesicht beruhigen. Alles gut.

Vor zwei Jahren haben wir eine ältere Dame mit ihrem kleinen Mischlingshund kennengelernt. Wir treffen uns immer mal wieder auf unseren Spaziergängen und haben uns ein wenig angefreundet. Nach wie vor fällt das Wort Hundeschule. Inzwischen aber seltener, weil ich doch etwas richtig gemacht haben muss. Sie selbst ist von Pauls Lebendigkeit ebenso erfreut wie wir und sie erinnert sich gerne an unser Kennenlernen, wo sie schon Schlimmstes befürchtet hatte, weil ihr kleines Mädchen zickig sei und große Hunde nicht mögen würde. Bei Paul ist es anders. Warum auch immer.

Ich weiß es nicht, warum es gerade die kleinen Hunde sind, mit denen es so gut funktioniert. Bei größeren bin ich vorsichtig. Nicht, weil ich fürchte, dass Paul Krawall macht, aber die anderen haben manchmal ein Problem mit ihm und es kommt zum Gerangel. Sofern möglich laufen wir einen großen Bogen oder kehren um. Da braucht Paul noch etwas mehr Zeit, um gelassen zu bleiben.

Es darf spekuliert werden

Nun kenne ich Paul in- und auswendig. Die klassischen Hundemenschen werden mir wahrscheinlich jetzt widersprechen. Aber ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass er mit der Erziehung, wie sie alltäglich ist und vorausgesetzt wird, nicht der wäre, der er heute ist. Natürlich nicht. Denn eigenständiges Denken und Handeln von Untergebenen ist aus mir unerfindlichen Gründen nicht erwünscht. Ein Hund brauche Erziehung und müsse gehorchen, so der Tenor. Man hätte diesen höchst charakter- und willensstarken Hund brechen, ihn einer Gehirnwäsche unterziehen müssen.
Ich mag es mir gar nicht vorstellen, alleine beim Gedanken daran, wird mir übel. Ich bin mir sicher, dass es den ein oder anderen Beißvorfall gegeben hätte. Ich höre gerade bei Hovawarten sehr oft davon. In einer sehr überdurchschnittlich hohen Anzahl werden sie in allen Altersklassen schließlich wieder abgegeben, landen entweder beim Züchter oder im Tierheim. In jeder Beschreibung erkenne ich meinen Paul. Trotzdem werden ein Hovawartkenner, harte Hand und erfahrende Hundehalter gesucht. Vom Regen in die Traufe.
Im ganzen Leben würde man an mich keinen Hovawart mehr abgeben. Dabei würde gerade ich es mir zutrauen, diesen Hunden das Vertrauen ins Leben zurückzugeben. Denn das haben sie verloren, diese hochgradig emphatischen und stolzen Hunde.

Paul und seine größte Leidenschaft: Stöcke – je länger, desto besser

Wir erziehen also nicht, gehen in keine Hundeschule, schauen keine TV-Trainer, gehen nicht auf den Hundeplatz, machen kein Agility, kein Mantrailing, powern nicht aus, machen kein Medical Training, überlegen uns keine Kunststücke, die Paul trainieren muss.
Trotzdem ist Paul in höchstem Maße sportlich. Er balanciert meterlange Stöcke, schlängelt damit an Hindernissen vorbei, erledigt mit Stock seine Geschäfte. Er schwimmt wie ein Fisch. Rennt in einem Affenzahn Parcours, wie sie die Natur erschaffen hat. Er läuft, ohne es trainiert zu haben, selbständig rückwärts, wenn es die Situation verlangt. Er findet nach Tagen oder gar Wochen seine Stöcke oder Bälle im Wald oder Park wieder. Paul lässt sich die Ohren säubern, Zecken entfernen, Fieber messen. Ich kann ihm unangenehm schmeckende Medizin eingeben, die nuckelt er weg wie ein Baby. Ich darf in seinen Napf fassen, wenn ich etwas vergessen habe. Bei der Blutabnahme hält er brav sein Beinchen still und leckt der Tierärztin die Hand. Die Liste könnte ich endlos fortführen.
Ich höre und lese sehr oft vom Gegenteil, obwohl konsequent erzogen wird. Oder vielleicht genau deshalb?
Ja, Paul bellt und zeigt an. Das wurde in ihn hineingezüchtet. Dafür bin ich ihm dankbar, das reglementiere ich nicht, würdige es entsprechend. Denn ich bin ein eher ängstlicher Mensch und würde mich ohne ihn an meiner Seite fürchten, wenn ich im Dunkeln unterwegs bin. Paul und ich ergänzen uns also ganz vortrefflich.

Meine Freundin, die Paul von Anfang an kennt und ihn ebenso in ihr Herz geschlossen hat, rief mich vor ein paar Monaten ganz aufgeregt an und erzählte mir, dass sie gerade einen Mann mit seinem 16jährigen, schwarzen Hovawart getroffen hätte. Er hätte die gleichen Erfahrungen und Erlebnisse mit seinem Hund wie ich mit Paul. Er sei ganz verzweifelt gewesen, weil alle Hundeschule nichts genutzt hätte. Aber im vierten Lebensjahr sei es dann wie von Zauberhand immer besser geworden.
Ein paar Wochen später sah ich ihn auch im Vorbeifahren, drehte um und machte die persönliche Bekanntschaft der beiden. Sie sind quasi die Großeltern. Die Tochter, der er eigentlich gehörte, hatte keine Zeit mehr. Wie es bei Oma und Opa so ist, Verwöhnprogramm war angesagt und das Hundekind entwickelte sich ganz vorbildlich. Also alles richtig gemacht und was für mich noch viel schöner zu hören war, waren die 16 gesunden Jahre.

Der Stand der Dinge und die rosige Zukunft

Nach wie vor treffen Paul und ich regelmäßig auf seine Schwester Filaki mit Frauchen. Ein bisschen wie Familie. Wir haben ja von Anfang an Freud und Leid miteinander geteilt und gemeinsame Abenteuer erlebt. Heute müssen wir lachen, wenn wir daran zurückdenken, wie sehr wir uns gewünscht haben, dass die beiden endlich vernünftig werden. Wie sehr haben wir den sagenumwobenen 3. Geburtstag herbei gesehnt, ab dem sie endlich erwachsen würden.

Paul mit seiner Schwester Filaki – nach wie vor ein Herz und eine Seele


War bekanntlich nicht so. Hunde sind schließlich keine Uhrwerke. Mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt und freuen uns, dass Filaki und Paul sich nicht wesentlich verändert haben, auch nicht in ihrem Miteinander. Wir haben die Sicherheit, dass wir zwar temperamentvolle Hunde, dafür aber sehr liebenswürdige haben. Mit noch ein paar Eierschalen hinter den Ohren, die uns aber fehlen würden, wenn es anders wäre. Gerade haben wir uns wieder darüber unterhalten, dass es auch bei ihnen diese zwei Lager an Menschen gibt – die, die Lebendigkeit lieben und die, die sich beschweren.
Auch Filaki hat keine Hundeschule besucht. Wir haben uns damals als Ausrede darauf geeinigt, dass die beiden Geschwister eine Lese- und Rechtschreibeschwäche hätten.

Auf jeden Fall vergeht mir die Zeit viel zu schnell. Wo sind die vier Jahre geblieben? Ich bin zum einen erleichtert, dass Paul sich nicht allzu sehr verändert hat. Er ist dreißig Kilo schwerer. Aber sein Wesen hat er sich bewahrt. Habe ich ihm bewahrt. Andere mögen stolz darauf sein, wie brav und gut erzogen ihr Hund ist. Ich bin stolz darauf, dass Paul sich seine Leichtigkeit bewahrt hat/sich bewahren durfte. Dass seine Augen nie traurig blicken. Dass er mit der gleichen Neugier und Abenteuerlust durchs Leben geht/gehen darf. Dass er keine Ängste kennt. Dass er nicht weiß, was Strafe und Liebesentzug sind. Er nie vor meiner Hand zurückschreckt, weil er weiß, dass daraus nur Gutes für ihn kommt.

Mittlerweile, da ich weiß, wie liebenswert Paul ist, bin ich sehr viel entspannter und noch geduldiger. Weil ich mir sicher bin, dass mir etwas fehlen wird, wenn er ruhiger wird. Bereits heute ist es so, dass ich mich sofort sorge, wenn Paul vernünftig ist. Wenn er nicht bellt, obwohl er weiß, dass ich jetzt ohne ihn kurz das Haus verlassen muss. Wenn wir tonlos im Auto an einem anderen Hund vorbei fahren.

Insofern bin ich froh, dass Paulchen meine Hundekind ist. Man sagt, dass Hunde, wenn sie erwachsen sind, auf dem Niveau eines drei- bis vierjährigen Kindes stehen bleiben.
Um wieder auf meinen ‚Michel aus Lönnerga‘ zurückzukommen. Stellen wir uns doch den Michel mal als erwachsenen Mann vor. Wäre er heute ein Bankräuber, Betrüger oder Tunichtgut? Wohl eher nicht.


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